Wie finde ich den richtigen Bluetooth-Kopfhörer?
Einführung
Der Kopfhörer-Markt wird wesentlich mitbestimmt von Bluetooth-Kopfhörern unterschiedlichster Bauweise. In diesem Special möchten wir Ihnen alle Spielarten, technische Spezifikationen und Ausstattungsmerkmale präsentieren. Wir gehen auch auf die grundsätzlichen Eigenschaften der drahtlosen Audiosignal-Übertragung über das Bluetooth-Protokoll ein und erklären die unterschiedlichen Codecs und Protokolle.
Bauformen von Bluetooth-Kopfhörern
- Over-Ear-Bluetooth-Kopfhörer (sehr weit verbreitet): klassischer Bügelkopfhörer mit Earpads, die über die Ohren reichen und das Ohr komplett umschließen
- On-Ear-Bluetooth-Kopfhörer (nur noch gering verbreitet): Klassischer Bügelkopfhörer mit Earpads, die auf den Ohren aufliegen, sie aber nicht umschließen
- True Wireless Bluetooth-Kopfhörer: Zwei Earbuds ohne Kabelverbindung untereinander, geladen werden die sogenannten TWS In-Ears im mitgelieferten Case. Hier gibt es zwei Varianten, wie die Bluetooth-Übertragung stattfinden kann:
- Entweder wird das Audiosignal drahtlos an einen Earbud gesendet, der als Master fungiert und das Signal an den zweiten Earbud (Slave) weiterleitet,
- oder beide Earbuds empfangen simultan ein drahtloses Audiosignal.
- Klassische In-Ear-Bluetooth-Kopfhörer: mit Kabelverbindung zwischen den beiden Earbuds. Verbreitung nimmt ab, zahlreiche Anwender schwören aber noch z.B. für den Sport darauf, weil die einzelnen Earbuds, wenn sie herausfallen, sozusagen vom Kabel, das um den Hals hängt, „aufgefangen“ werden
Bluetooth-Standards
Verbreitet ist alles zwischen Standard 3.0 und 5.1. Demnach sind diese Standards anzutreffen:
- Bluetooth 3.0 (nur in preiswerten, älteren Modellen): Bluetooth 3.0, häufig mit dem Zusatz „+ EDR“ (Enhanced Data Rate) versehen, bringt alle Eigenschaften der früheren Spezifikationen mit und kann heute als älteste Version gelten, die noch am Markt anzutreffen ist. Prinzipiell ist eine qualitativ hochwertige Audio-Übertragung durch die dank EDR maximal mögliche Übertragungsrate von 2,1 Mbit/s bereits hier möglich.
- Bluetooth 4.0 (nur in preiswerten, älteren Modellen): In 2009 verabschiedet bringt Bluetooth 4.0, neben einem höheren Maß an Sicherheit, „Bluetooth Low Energy (BLE)“ mit. Damit wird eine Reduzierung des Stromverbrauchs in kompatiblen Endgeräten erreicht. Dieser Vorteil ist allerdings bei Bluetooth-Kopfhörern nicht praxisrelevant, da unter Einsatz von Bluetooth Low Energy keine Audiodaten mehr übertragen werden können. Ausnahmen, wie z.B. hochwertige Hörgeräte, gibt es schon, die kontinuierliche Wiedergabe beim Musik hören ist für den Einsatz von BLE aber ungeeignet.
- Bluetooth 4.1, 4.2: Im Dezember 2013 bzw. Dezember 2014 gingen Bluetooth 4.1 und Bluetooth 4.2 mit erweiterten Sicherheitsstandards an den Start. „Bluetooth 4.2 Smart“ ermöglichte eine höhere Übertragungsgeschwindigkeit sowie einen noch sparsameren Bluetooth Low Energy-Modus, der auch erweiterte Funktionen ermöglicht
- Bluetooth 5.0: Verabschiedet in 2016 ermöglicht dieser Standard eine doppelt so hohe Datenrate sowie größere Reichweite. Viele Neuerungen betreffen den Bluetooth Low Energy-Modus, der aufgrund des kontinuierlichen Datenstroms schlichtweg kaum geeignet für Audio-Übertragung ist (Bluetooth Low Energy ist besonders sinnvoll, wenn zwischen den einzelnen Übertagungszyklen eine Sendepause herrscht). Auch die Maximierung der Reichweite ist im Bereich Bluetooth-Kopfhörer kaum relevant, da die Audio-Streams so datenaufwändig sind, dass sie keinen größeren Abstand als 10m erlauben. Dennoch ergeben sich hier mit Bluetooth 5.0 Vorteile, was die Verbindungsstabilität anbelangt.
Der Grund, weshalb viele Hersteller noch auf ältere Bluetooth-Versionen setzen, ist ein einfacher: Die Vorteile, die sich durch die modernen Versionen ergeben, sind für eine qualitativ hochwertige Audiosignalübertragung gar nicht bzw. nur geringfügig relevant. Das gilt im Übrigen auch für Bluetooth 5.1. Auch damit werden Geschwindigkeit und Reichweite nochmals verbessert. Dies ist notwendig für die neue Technologie der Richtungserkennung und Positionserfassung von Bluetooth-Sendern. Hier ergeben sich Möglichkeiten für die Navigation in Gebäuden oder schlicht das Auffinden eines mit einem Bluetooth-Anhänger versehenen Schlüsselbundes. Die drahtlose Audiosignalübertragung ist lediglich ein kleiner Teil der komplexen Anwendungsbereiche des Bluetooth-Protokolls. Wichtiger für eine qualitativ hochwertige Klangwiedergabe sind die verwendeten Codecs, die im folgenden Abschnitt beschrieben werden.
SBC, aptX, AAC & Co.
Die Grundvoraussetzung für eine hohe akustische Performance ist das Bluetooth-Profil „A2DP“ (Advanced Audio Distribution Profile). Erst dieses Profil ermöglicht, im Gegensatz zu „HSP“ (Headset Profile) und „HFP“ (Hands free Profile), die lediglich für eine stabile Zusammenarbeit mit Mobiltelefonen und Freisprecheinrichtungen geeignet sind, die Übertragung von Stereo-Sound. Sämtliche HiFi-Kopfhörer mit Bluetooth unterstützen A2DP.
Codecs sind bei der Bluetooth-Übertragung für die Komprimierung der Audiosginale verantwortlich, um bei entsprechenden Empfangsgeräten eine hohe Klangqualität zu ermöglichen. Grundsätzlich geht, das wissen versierte audiophile Anwender, die Kompression immer mit einem Verlust der Klangqualität einher. Unkomprimierte Musikdateien sind für die Übertragung mittels Bluetooth aber schlichtweg zu groß, daher müssen beim komfortablen Drahtlos-Transport die Datenmengen verkleinert werden – und das möglichst effizient. Hier stehen folgende Werkzeuge zur Verfügung:
- SBC: der „Low Complexity Subband Codec“ benötigt wenig Rechenleistung und kostet keine Lizenzgebühren. Grundsätzlich wird hier eine solide Klangperformance mit maximal 48 kHz Abtastrate bei 16 Bit (gängiger 44kHz/16-Bit) geboten. Bei größerer Reichweite oder Hindernissen im Raum zwischen Sender und Empfänger nimmt die Klangqualität aber schnell ab
- aptX: aptX wurde an der Universität in Belfast entwickelt und befindet sich nun im Besitz von Qualcomm. Für die Verwendung von aptX werden Lizenzgebühren fällig, weshalb der Codec nicht in allen Geräten Einzug findet. Die Vorteile von aptX aber liegen auf der Hand: die fixe Bitrate von 354 kbit/s erlaubt eine geringere Kompression des Audio-Materials. In Kombination mit der grundsätzlich besseren Kompression des Codecs ergibt sich eine höhere Klangqualität. Voraussetzungen sind, dass die Geräte Bluetooth + EDR (Enhanced Data Rate) unterstützen, was nahezu alle Geräte am Markt bereits tun, und dass sowohl der Sender als auch der Empfänger den aptX-Codec unterstützen. Android-Smartphones sind damit häufig ausgestattet, Apple aber unterstützt aptX nicht.
- aptX HD: die optimierte Form von aptX erlaubt die Übertragung von Audio mit Abtastraten bis 48 kHz (laut aptX-Entwickler Qualcomm) und Abtastauflösungen von maximal 24 Bit. Im Frequenzbereich zwischen 20 Hz und 20 kHz wird hier eine nahezu verlustfreie Codierung und hohe Klangqualität möglich. Die Bitrate steigt auf 576 kbit/s
- aptX Low Latency, aptX Live, aptX Adaptive: Qualcomm hat den aptX-Codec auf verschiedene Anwendungsbereiche angepasst: aptX LL (Low Latency) soll besonders beim Gaming und Filmgenuss von Vorteil sein, da er besonders hohe Synchronität zwischen Sender und Empfänger ermöglicht. aptX Live hingegen ist perfekt für das Zusammenspiel von kabellosen Mikrofonen und Kopfhörern bei Live-Anwendungen getrimmt. aptX Adaptive entscheidet anhand der übertragenen Audiodaten selbst, welche Kompressions- und Datenraten aktuell angelegt werden und ist daher sehr vielseitig.
- AAC: Apple-Smartphones setzen auf den AAC-Codec, der von der Motion Picture Experts Group (MPEG) entwickelt wurde und als qualitativ höherwertiger Nachfolger von MP3 gilt. Genauere Fehlerbehebungsalgorithmen und eine effizientere Kompression ermöglichen eine solide Klangperformance mit einer maximalen Datenrate von 250 kbps. Gegenüber aptX benötigt AAC höhere Rechenleistung, was sich wiederum auf die Akkulaufzeit auswirkt
- LDAC und Samsung UHQ-BT: LDAC ist eine Eigenentwicklung von Sony und ermöglicht sehr hohe Übertragungsraten von 990 kBit/s. Mit der Abtasttiefe von 24 Bit und einer Abtastrate von 96 kHz können auch hochauflösende Audiodaten übertragen werden. LDAC wird ausschließlich von Sony-Produkten unterstützt. Dies gilt aktuell auch für den Codec von Samsung, der ebenfalls 96 kHz/24-Bit-Übertragung ermöglicht.
Welche Kopfhörer-Bauform sollte man nehmen?
Für welche Bauform man sich entscheidet, ist eine Frage des eigenen Geschmacks. Wer in exzellenter Qualität hören möchte, sollte allerdings zu Over-Ear-Bluetooth-Kopfhörern greifen.
- Ultrakompakt, einfach zu verstauen, liegen sehr gut im Gehörgang an und kann man sogar z.B. fürs Einschlafen in Seitenlage nehmen: True Wireless Earbuds
- Bewährt, brauchen wenig Platz, sehr gut für Sport: Klassischer BT-In-Ear mit Kabelverbindung zwischen den Earbuds
- Kompakt, chic, nicht zu ausladend, schirmen passiv Geräusche nicht so gut ab: On Ear-Bluetooth-Kopfhörer
- Bequem, enorm klangstark, oft voll ausgestattet, tragen aber dicker auf und brauchen auch für den Transport mehr Platz: Over-Ear-BT-Kopfhörer
Bequemer Sitz
- Bei TWS-In-Ears und BT-In-Ears mit Kabel muss man auf die richtige Auswahl an Ohrpassstücken achten. Diese dürfen nicht zu locker sitzen, aber auch nicht drücken. Meist gibt es Ohrpassstücke in den Größen S, M und L. Manchmal zusätzlich noch in XS und XL. Ideal als Materialien sind Memory Foam (passt sich der Ohrform an) oder Silikon
- Bei On- und Over-Ear-BT-Headphones muss man schauen, ob sich der Hörer mittels des Verstellmechanismus des Bügels gut auf die Kopfform anpassen kann. Zudem sollte der Bügel bequem gepolstert sein. Die Polster der Ohrmuscheln sollten aus einem möglichst wenig schweißtreibenden Material sein, auch die Reinigung und das Wechseln sollten einfach möglich sein
Tadellose Akkulaufzeiten
- Bei TWS In-Ears mindestens 5-6 Stunden mit einer Ladung plus mindestens 2 weitere komplette Ladungen im Case
- Bei herkömmlichen In-Ears mit Kabel mindestens 6-7 Stunden mit einer Ladung
- Bei On-/Over-Ear-Kopfhörern mindestens 18 bis 20 Stunden
Aktive Geräuschunterdrückung, „Active Noise Cancellation“ (ANC)
- Aufgabe: Mittels mehrerer Mikrofone und Kompensationsalgorithmen, werden Umgebungsgeräusche wahrgenommen und eliminiert. So aufwändiger die Technik (mehr und sensiblere Mikrofone) und umso rechenstärker der ANC-Chip im Kopfhörer, umso besser das Ergebnis
- Es gibt verschiedene Varianten von ANC: A) direkt am Headphone umschaltbar, meist ein oder zwei unterschiedliche Betriebsarten: z.B. Stufe 1 und Stufe 2, oder ANC und ANC mit dem Durchlassen wichtiger Umgebungsgeräusche/Transparency Mode. Oder stufenlose Steuerung der ANC per App (Sony) und ultrapräzise Anpassung ans Umfeld. Oder mehrere Hörsituationen wählbar (z.B. Flugzeug, Office, zu Hause/B&W)
- Wichtig: Die aktive Geräuschunterdrückung sollte möglichst ohne störendes Rauschen und ohne zu deutlich abgesenkte Höhen arbeiten
- Wichtig: bei aktivierter aktiver Geräuschunterdrückung verändert sich stets das Klangbild, meist inzwischen nur minimal (mehr Volumen, mehr Bass, etwas weniger Transparenz in den Höhen)
- Wichtig: Bei aktiver ANC sinkt die Laufleistung des Akkus
Sonstige Features
- Abstimmung auf den Träger: Hier gibt es verschiedene Ansätze. Beyerdynamics MIY-App vermisst das Ohr akustisch, ausgewählte Sony-Modelle verfahren anders, hier wird die Form des Ohrs ausgemessen und mit Referenzmustern abgeglichen (TWS plus Over-Ear-Kopfhörer bei Sony, On- und Over-Ear sowie klassische In-Ears mit Kabel bei Beyerdynamic). Bei manchen TWS (Apple z.B.) kann man testen, ob das gewählte Ohrpassstück tatsächlich passt und ordentlich abdichtet.
- Bei TWS-IN-Ears Reinigung der Earbuds im Case (meist werden hier Bakterien per UV-Licht abgetötet, z.B. Klipsch oder Philips)
- Bei leerem Akku alternativ Betrieb mit klassischem Kopfhörerkabel möglich (Over-Ears, On-Ears)
Unser Resümee
- Wie schon weiter oben erwähnt, sollten Klang-Liebhaber am besten zu Over-ear-Kopfhörern greifen und sich hier in der Liga zwischen 200 und 400 EUR bedienen. Gute Ausstattung, tadelloser Klang, hochwertige Verarbeitung sind in diesem Bereich am ehesten gewährleistet.
- Wer es ultraflexibel möchte, nimmt TWS In-Ears. Viel Auswahl, ordentlicher Klang (wenn auch nicht dem HiFi-Ideal entsprechend, eher auf Spaß-Hören getrimmt), interessante Features, extrem kompakt, kann man immer bei sich tragen.
- On-Ear-Kopfhörer oder In-Ears mit Kabelverbindung zwischen den Earbuds würden wir als BT-Kopfhörer nicht mehr empfehlen, nur für Sonderfälle, z.B. beim Sport.