Fyne Audio F702 bei AUDIO im Test

"...Fyne Audio empfiehlt für die F702 einen Amp, der zwischen 30 und 200 Watt zu leisten versteht. Im Subtext ist das ein Plädoyer für einen fetten Transistorenverstärker. Aber der Eindruck in unserem Hörraum ging in die andere Richtung. Die pure Power ist egal, es kommt auf den Charme an. Deshalb kann es auch ein kleiner Röhrenamp sein. Vielleicht sogar besser. Konkret haben wir die große Transistor-Kombi von AVM angeschlossen. Auf den ersten Blick funktionierte die Kombi hervorragend. Auf den zweiten hatte das Setup zwar Drive, aber nicht die allertiefste Eleganz. Das klang mehr wie ein Koaxial-Chassis mit flankierendem Subwoofer. Das entsprach nicht zu 100 Prozent unserem Klangideal. Dann aber ein kleiner Röhrenamp - und die Membranen harmonierten mit der gewollten Geschlossenheit, was für die Feinsinnigkeit der Gesamtkonstruktion spricht. Über diesen Lautsprecher haben wir unter anderem auch unser Testfeld an Lautsprecherkabeln erlauscht - hier werden selbst winzigste Impulse zu einem großen Erlebnis, wenn die Kette stimmt. Der Preis machte uns hingegen stutzig. Vor ein paar Monaten war man deutlich günstiger unterwegs, nun ein rasanter Sprung in der unverbindlichen Preisempfehlung, der nicht nur dem Brexit geschuldet sein kann.

Folgefrage: Ist die F702 zu teuer? Keinesfalls. Das ist wirklich ein Superlautsprecher, der sogar in seiner Preisklasse etliche Mitbewerber blass aussehen lassen kann. Ein Hecht im Karpfenteich.

Weshalb wir gleich an den Wurzeln, an der Quelle ansetzen: Vinyl statt CD. Glücklich, wer sich dem Besitz einer Originalpressung von "Bad as me" von Tom Waits rühmen kann. Die CD ist superb, der doppelte Kick kommt bei der Vinylpressung auf. Insbesondere, wenn Tom Waits gemeinsam mit Keith Richards dem letzten Blatt am Baum huldigt - "Last Leaf". Das ist wunderbar rau, aber von den Tontechnikern auch auf das Maximum der dynamischen Präsenz gebracht. Genau hier spielt die Fyne Audio ihre Vorzüge aus. Da gibt es eine Präsenz auf den Punkt, dazu den schön-schmutzigen Unterbau. Alles bebt, alles webt - ein audiophiles Erlebnis, wie es schöner nicht sein könnte. Auf die Gefahr hin, dass wir uns wiederholen: Das Zusammenspiel zwischen den beiden großen Chassis ist kritisch. Wir haben bei Tom Waits abermals die Amps ausgetauscht - und wieder rasierte der große Transistoren-Amp den tiefen, wahrhaftigen Charme der Aufnahme. Drei bis vier Male haben wir umgesteckt - die antreibende Elektronik bestimmt die Eleganz und Wahrheit dieses Lautsprechers. Deshalb hadern wir auch mit einer Über-alles-Empfehlung. So massiv dieser Lautsprecher auch erscheint - er ist ein Sensibelchen. Analog und Röhre gefielen in unserem Testaufbau deutlich besser. 

Schwenken wir rüber zur Klassik. Ein Großkampf in High-Res. Sir Colin Davis dirigiert die Symphonien von Carl Nielsen. Das muss man gehört haben. Das ist nordische Musik mit Bodenhaftung und einem unglaublich starken audiophilen Rausch im Finale. Als ob man ein noch verbotenes Gras geraucht hat. In der vierten Symphonie fliegen wir zu den großen Fragen der Philosophen - "Das Unauslöschliche". Nielsen ist ganz der Meister des Überirdischen. Colin Davis hat diese Klangkraft in den Hochstrombereich getrieben. Die Violinen lassen uns tranceartig schweben. Toll, wie uns die Fyne Audio diese innerste Wahrheit offenbart. Da ist die Brillanz der Streicher, zugleich die Wucht der Kontrabässe - wie ein Handkantenschlag auf den Solar Plexus. Genau in diesen Momenten heben wir ab. Kein Lautsprecher der letzten fünf Jahre hat uns so schön mit auf seine Flüge genommen. Ein Flug mit genau dem richtigen Verhältnis von Intellekt, Analyse und Gefühl - alles ist präzise wie bei einem Studiomonitor, dazu aber die Süffigkeit jener Kunst, die uns den Atem raubt. Von den vielen Lautsprechern, die mir begegnet sind, würde ich genau für diesen mein Sparbuch plündern."

(Hervorhebungen durch HIFI-REGLER)

Man fühlt sich ein wenig wie in einem schottischen Drama. Zwei Clans treten gegeneinander an. Die Aufstrebenden und die alten Werteverwalter. Fyne Audio legt sich mit der F702 mächtig ins Zeug. Die Abbildungsleistung ist famos - ein Luxuspanorama. Wer dazu noch echtes Musizieren will, sollte unbedingt mit den Kabeln und den Verstärkern experimentieren.